Pressemitteilung der Handwerkskammer für München und OberbayernHeinrich Traublinger Ehrenpräsident
28. Juli 2014
Heinrich Traublinger vor der Vollversammlung: Resümee von 20 Jahren als Kammerpräsident
Der scheidende Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern Heinrich Traublinger, MdL a. D. zog heute vor der Vollversammlung der Kammer ein kleines Resümee seiner Zeit als Präsident der größten Handwerkskammer in Deutschland. Traublinger wurde für seine außerordentlichen Verdienste für das Münchner und oberbayerische Handwerk zum Ehrenpräsidenten der Handwerkskammer ernannt.
Besonders wichtig ist Traublinger, dass bei der Verwirklichung einer echten Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht wurden: "Wir haben erreicht, dass heute jeder Handwerksmeister uneingeschränkt studieren kann. Auch der Zugang für Absolventen einer Berufsausbildung zu fachverwandten Studiengängen wurde wesentlich erleichtert."
Jugendliche und auch deren Eltern bekämen damit deutlich signalisiert: Mit einer beruflichen Bildung stehen alle Türen offen. Abgerundet werde dieses Bild damit, dass durch die Einführung und den stetigen Ausbau des Meister-Bafög und die Einführung des Meisterbonus in Bayern auch die finanzielle Förderung der beruflichen Bildung deutlich verbessert wurde. Nicht zuletzt sei es ein großer Erfolg, dass Meisterbrief und Berufsausbildung im Europäischen Qualifikationsrahmen auf sachgerecht hohen Niveaus eingeordnet wurden. Als besonderen Erfolg verbucht Traublinger den berufsbegleitenden Studiengang Bachelor für Unternehmensführung, den die Handwerkskammer gemeinsam mit der Hochschule München installiert hat.
Ebenfalls ein großer Erfolg in den vergangenen Jahren sei die Einfüh-rung des Handwerkerbonus gewesen. Er habe sich vor allem auch als wichtige Maßnahme zur Bekämpfung der Schwarzarbeit erwiesen. Traublinger betonte: "Ich denke, dieses sinnvolle Instrument sollte weiter ausgebaut werden." Traublinger beleuchtete auch die negativen Auswirkungen der Handwerksnovelle von 2004: einerseits sei die Zahl der Betriebe in den vergangenen 10 Jahren in einigen Gewerken der B1-Berufe besonders in den Ballungsräumen rasant in die Höhe geschnellt, zum anderen habe die Zahl der Meisterprüfungen eklatant abgenommen.
Gegenüber dem Jahr 2003 verzeichnete man hier ein Minus von knapp 60 Prozent. Traublinger: "Insgesamt zeigen die Auswirkungen der Novellierung der Handwerksordnung, dass unsere Befürchtungen im Vorfeld der Reform gerechtfertigt waren, dass wir zu Recht mit viel Herzblut für den Erhalt des Meistervorbehalts in möglichst vielen Handwerksberufen gekämpft haben und dies auch in Zukunft tun müssen."
Der zweite tiefgreifende Strukturwandel, der sich in den Daten des Handwerks widerspiegele, so Traublinger, seien die Veränderungen im Altersaufbau der Bevölkerung. Während die Herausforderung zur Jahrtausendwende noch darin bestanden habe, ausreichend Lehrstellen für die Schulabgänger bereit zu stellen, suchten heute viele Handwerksbetriebe händeringend nach Lehrlingen. Die Sicherung der Fachkräfteversorgung sei eine der großen Herausforderungen der kommenden Jahre. Ziel müsse es auch weiterhin sein, Jugendlichen zu zeigen, welche hervorragenden Karrierechancen das Handwerk ihnen bietet.
Durch die Handwerkskammer für München und Oberbayern seien auch viele konkrete Verbesserungen vor Ort erreicht worden, zum Beispiel durch den Parkausweis für Handwerksbetriebe oder die angemessene Beteiligung des heimischen Handwerks bei der Verwirklichung von Großprojekten, wie der Allianz Arena. Für die faire Beteiligung des Handwerks an öffentlichen Aufträgen seien wichtige rechtliche Voraussetzungen erreicht worden.
Die mittelstandsfreundliche Vergabe nach Fach- und Teillosen wurde unter anderem im Bayerischen Mittelstandsförderungsgesetz verankert. Auch die vom Handwerk initiierten höheren Schwellenwerte bei der freihändigen Vergabe und der beschränkten Ausschreibung sowie die Einführung einer Wertungspauschale hätten zu einer mittelstandsfreundlichen und auch regionalen Vergabe beigetragen. Gelungen sei auch, die Konkurrenz durch öffentliche Unternehmen in den angestammten Aufgabenbereichen des Handwerks zurückzudrängen.
Besonders hob Traublinger die Partnerschaften mit den Handwerkskammern in der Bretagne, mit denen man im letzten Jahr das 50-jährige Jubiläum der Partnerschaft feiern konnte, sowie in Slowenien und in Kroatien hervor. Traublinger: "Wir haben vor allem in den Ländern Südosteuropas viel zu leistungsfähigen Strukturen im Handwerk und einer funktionierenden beruflichen Bildung beitragen können. Darauf können wir alle stolz sein."
Auch Hauptgeschäftsführer Dr. Lothar Semper machte vor der Vollversammlung deutlich, dass das Handwerk bei der Gewinnung von Berufs-nachwuchs in den kommenden Jahren vor einer immensen Herausforderung stehe. Zum 30. Juni haben statistisch für jeden Jugendlichen auf der Suche nach einer Lehrstelle fast 1,8 nicht besetzte Lehrstellen zur Verfügung gestanden. Diese Schere klaffe von Jahr zu Jahr mehr auseinander.
Als ein Alarmsignal wertete Semper die Tatsache, dass mittlerweile 57 Prozent der jungen Menschen die Schule mit Hochschulreife verlassen. Semper: "Deutschland lebt entscheidend von den Könnern, die nicht nur über theoretisches Wissen, sondern auch über praktische Fertigkeiten verfügen." Ebenso problematisch sei, so der Hauptgeschäftsführer, dass trotz des Mangels an Lehrlingen nach wie vor 200.000 Jugendliche im sogenannten Übergangssystem landen. Dies liege aber am wenigsten an den Ausbildungsbetrieben, sondern an der mangelnden Ausbildungsreife vieler Betroffener. Semper: "Die Unternehmen können hier nicht der Reparaturbetrieb für das Schulsystem sein."
Ein wichtiges Ziel als Handwerkskammer sei es, die Unternehmen bei der Lehrlingsausbildung bestmöglich zu unterstützen. Eine Umfrage unter Erstausbildern im Kammerbezirk habe ergeben, dass dies zur vollen Zufriedenheit der Betriebe geschieht. Semper kündigte an, dass die Kammer demnächst einen Ausbildungsakquisiteur für junge Flüchtlinge einstellt. Derzeit lebten rund 3.400 berufsschulpflichtige Asylbewerber zwischen 16 und 21 Jahren in München und Oberbayern. Diese Zielgruppe wolle man verstärkt in die berufliche Bildung integrieren.