Pressemitteilung der Handwerkskammer für München und OberbayernSchlagbauer stellt Schwerpunkte vor
Neuer Kammerpräsident stellt Schwerpunkte seiner Arbeit vor
Schlagbauer: "Wirtschaftsverkehr, Meistervorbehalt und Ausbildung"
"Ich werde bei vielen Themen an die Arbeit meines Vorgängers Heinrich Traublinger anknüpfen, der die Geschicke der größten deutschen Handwerkskammer 20 Jahre lang mit sehr großem Erfolg geleitet hat.
Ich halte es aber auch mit Wilhelm Busch, der einmal gesagt hat: 'Wer in die Fußstapfen anderer tritt, hinterlässt keine eigenen Spuren'," betonte der Ende Juli neu ins Amt gewählte Handwerkskammerpräsident Georg Schlagbauer bei der Vorstellung seiner Arbeitsschwerpunkte.
Für den Kammerpräsidenten steht derzeit neben dem Erhalt des Meistervorbehalts, die konsequente Fortsetzung, aber auch stete Evaluierung der erfolgreichen Nachwuchsarbeit, der Umbau bzw. die Neuausrichtung der kommunalen Beschäftigungsprogramme, die drohende Zurückdrängung und Belastung des Wirtschaftsverkehrs, die konsequente Verfolgung eines weiteren Bürokratieabbaus sowie der Einsatz für eine nachhaltige und vorausschauende Gewerbeflächenpolitik ohne eine ausschließlich Fokussierung auf die Wohnraumprobleme, im Mittelpunkt seiner Arbeit.
Für die reibungslose Abwicklung des Wirtschaftsverkehrs in München und Umgebung forderte Schlagbauer u.a. Verbesserungen bei den Ampelschaltungen und bei der Verästelung des Straßennetzes. Die ins Spiel gebrachte verstärkte Nutzung sog. Elektro- und Lastenfahrräder sei für das Handwerk aufgrund längerer Anfahrten, vorgegebener Lieferfristen, sowie dem Transport schwerer Gerätschaften nur "in sehr eingeschränktem Maße darstellbar."
Neben dem Ausbau der Infrastruktur für den ÖPNV müsse z.B. die Radwegeplanung künftig stärker als bisher auf die Gewinnung attraktiver und sicherer Fortbewegungsräume für den Radverkehr ausgerichtet werden, forderte der Kammerpräsident: "Dabei hilft jedoch der reine Bau von 'Radl-Autobahnen', etwa an der Lindwurmstraße, auch mit Blick auf die Kostenkalkulation, nicht weiter."
Schlagbauer schlägt vielmehr vor, Fahrradrouten weitgehend vom Hauptstraßennetz zu entkoppeln, damit der Verkehr besser fließen kann. Eine vorrangige Führung des Radverkehrs entlang landschaftlich oder städtebaulich reizvoller Strecken, vorzugsweise durch Wohngebiete, würde dann auch zu einer Belebung der Nahversorgung in den Stadtvierteln führen und dem Handwerk nützen.
Die Förderung der E-Mobilität stellt aus Sicht des neuen Kammerpräsidenten einen Kernpunkt im Rahmen geeigneter Luftreinhaltemaßnahmen dar. In seiner Funktion als Münchner Stadtrat hatte er im Januar 2014 beantragt, dass E-Fahrzeuge in München u.a. Busspuren benutzen dürfen. Außerdem sollen mittelständische Betriebe, die ihre Lieferfahrzeuge auf E-Fahrzeuge umstellen, den Parkausweis für Gewerbebetriebe bzw. den Handwerkerausweis für fünf Jahre kostenlos erhalten.
Schlagbauer: "Wir wollen diese chancenreiche Technologie so anschieben, aber keine Dauerförderung."
In seinem Statement ging der Kammerpräsident auch ausführlich auf das Thema Berufsnachwuchs ein. Im Bezirk der Handwerkskammer wurden bis Ende Juli 4.634 neu abgeschlossene Lehrverträge registrieren. Trotz stabiler Konjunktur und guten Meldungen vom Arbeitsmarkt ist das ein leichter Rückgang um 1,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.
Der Kammerpräsident: "Eine Berufsausbildung im dualen System ist die beste Grundlage, um in die berufliche Karriere zu starten. Diese Überzeugung teilt heute aber leider nicht mehr jeder. Für viele junge Menschen und vor allem Eltern erscheint es attraktiver, möglichst lange an der allgemeinbildenden Schule zu bleiben, um – am besten mit dem Abitur in der Tasche – an die Hochschule zu wechseln. Die Durchlässigkeit der beruflichen Bildung wird dabei konsequent ignoriert und in der Folge die duale Berufsausbildung fast schon umschifft.
Hier müssen wir ansetzen und Eltern, Lehrer und Arbeitsagenturen noch stärker von der Leistungsfähigkeit des Handwerks überzeugen und die Jugendlichen zunächst für Praktika in unseren Betrieben gewinnen." Viele der 'weichen Faktoren', die der sog. 'Generation Y' heutzutage wichtig sind, wie flexible Arbeitszeiten, die Selbstverwirklichung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, seien gerade im Handwerk realisierbar, erklärte Schlagbauer.
Auch im neuen Ausbildungsjahr werden wieder viele Lehrstellen im Handwerk unbesetzt bleiben. Um dieser Entwicklung wirkungsvoll zu begegnen, spricht die Handwerkskammer neue Zielgruppen an, die gut zum Handwerk passen. Um beispielsweise junge Flüchtlinge über die Vorteile einer Berufsausbildung im Handwerk zu informieren, hat die Kammer in Kooperation mit dem bayerischen Arbeitsministerium extra einen Akquisiteur eingestellt.
Hier sieht Schlagbauer große Chancen: "Um den Menschen ein menschenwürdiges Leben, die Teilhabe an der Gesellschaft und eine Chance auf eine neue Heimat zu eröffnen, müssen wir ihnen dringend den Zugang zu Bildung und Ausbildung ermöglichen."
Auch Jugendliche, die sich zu Beginn einer Berufsausbildung schwer tun, will das Handwerk verstärkt gewinnen. Der Kammerpräsident regte an, das 2012 im Rahmen des 'Münchener Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramms' (MBQ) gestartete Projekt 'pass(t)genau', bei dem Lehrlinge zusätzliche Nachhilfe in Theorie und Praxis sowie Zugang zu Pädagogen erhalten, auf Jugendliche auszuweiten, die gerade erst mit der Ausbildung beginnen:
"Im Beruf können sie besser gefördert, als von einer Maßnahme zur nächsten geschleust zu werden." Schlagbauer forderte daher auch eine Evaluierung des MBQ, um zu sehen, ob dort noch die richtigen Schwerpunkte gesetzt werden, oder ob besser Maßnahmen zur Stärkung des ersten Arbeitsmarktes gefördert werden sollten.
Ernste Sorgen bereitet dem Handwerk auf europäischer Ebene weiterhin das Vorgehen der EU im Bereich der regulierten Berufe. "Wir sehen hier die Gefahr, dass am Ende des Evaluierungsprozesses der Meistervorbehalt mit den beiden Säulen der Gefahrengeneigtheit sowie der Ausbildungsleistung für einige Gewerke wegfallen könnte", sagte der Kammerpräsident.
Wozu der Wegfall des Meistervorbehalts führt, zeigt u.a. das Beispiel der Fliesenleger, die diesem nicht mehr unterliegen: Ende 2003, noch vor dem Wegfall, gab es in München lediglich 119 Betriebe. Seitdem ist die Zahl der eingetragenen Fliesenleger in der Landeshauptstadt auf 2.544 regelrecht explodiert. Allerdings ohne positive Auswirkungen auf die Zahl der Auszubildenden: die Münchner Fliesenlegerbetriebe bildeten 2003 immerhin noch 25 Lehrlinge aus. Mittlerweile ist die Zahl auf gerade einmal neun Auszubildende gesunken.
Schlagbauer: "Das Vorgehen der EU würde auch unser bewährtes duales System der beruflichen Bildung gefährden. Dieses hat nicht zuletzt dazu beigetragen, dass Deutschland wirtschaftlich so viel besser dasteht, als die meisten anderen Länder in Europa."