Pressemitteilung der Handwerkskammer für München und OberbayernVollversammlung der Handwerkskammer
Traublinger: "Steuererhöhungen schwächen Mittelstand"
15. Juli 2013
"Das politische Sommerloch ist in diesem Jahr noch tiefer und breiter als sonst. Erst nach den Wahlen zum Deutschen Bundestag und zum Bayerischen Landtag wird der politische Handlungsstillstand überwunden", betonte Präsident Heinrich Traublinger, MdL a. D., am 15. Juli 2013 vor der Vollversammlung der Handwerkskammer in Taufkirchen in Anwesenheit der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Ilse Aigner, MdB. Für wichtige Zukunftsentscheidungen könne dann wieder durchgestartet werden, so Traublinger.
Das Superwahljahr 2013 habe den Fortgang wichtiger Zukunftsprojekte ausgebremst, erklärte der Handwerkskammerpräsident. Viel liegen geblieben sei vor allem bei der Umsetzung der Energiewende. Die Strompreise explodierten, man entferne sich immer weiter von einer gerechten Lastenverteilung und bei Kernelementen wie der energetischen Gebäudesanierung herrsche Stillstand. Traublinger: "Nach der Wahl müssen diese Versäumnisse umgehend angepackt werden." Der größte Handlungsbedarf herrsche bei der Förderung der energetischen Gebäudesanierung. Auf den Gebäudebereich entfallen rund 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen. "Durch fachgerechtes Sanieren und moderne Gebäudetechnik könnten in den noch nicht sanierten Gebäuden bis zu 80 Prozent des Energiebedarfs eingespart werden - ein riesiges Potential, das nicht brach liegen darf!," erklärte Traublinger. Ein weiterer Vorteil sei, dass die steuerliche Förderung den Staat eigentlich nichts koste. Pro Euro Steuerermäßigung folgten bis zu zwölf Euro, die investiert werden. Dass die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung im Vermittlungsausschuss immer wieder auf die lange Bank geschoben und letztlich komplett aufgegeben wurde, bezeichnete Traublinger als Skandal.
Das Gesetz zur Bekämpfung der kalten Progression sei ein weiteres beklagenswertes Opfer des vorgezogenen Wahlkampfes. Als erste Zielmarke im Steuerrecht fordere das Handwerk deshalb von der neuen Bundesregierung den Steuerzahlern das zurückzugeben, was ihnen durch inflationsbedingte Mehreinnahmen weggenommen werde, so Präsident Traublinger. Ein absoluter Irrweg seien sämtliche Vorschläge, die auf Steuererhöhungen und Ausweitung der Staatseinnahmen zielten. Traublinger: "Wer mit wie auch immer gearteten Vermögensabgaben, der Wiedererhebung der Vermögensteuer, einer Reichensteuer oder einer Erhöhung der Erbschaftssteuer daherkommt, der zerstört die Leistungsbasis unserer Gesellschaft." Solche Vorschläge schwächten ausgerechnet die unternehmerische Mitte und damit den produktivsten Sektor in unserem Land.
Aktuell bereiteten dem Handwerk immer wieder Bestrebungen, vor allem der EU, Sorge, durch einen überzogenen Verbraucherschutz kleinen und mittleren Unternehmen wachsende Risiken aufzubürden. "Zusätzliche Informationspflichten, praxisferne Formvorschriften und übertriebene Widerrufsrechte führen das Leitbild des mündigen Verbrauchers ad absurdum und belasten vor allem den Mittelstand", erklärte der Handwerkskammerpräsident. Die Verbraucherrechterichtlinie sowie der Verordnungsentwurf für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht seien Beispiele für diesen beklagenswerten Missstand. Die EU-Verbraucherrechterichtlinie werde bis 13.12.13 in deutsches Recht umgesetzt. Das Gesetz führe zu einer Aufspaltung des deutschen Kaufvertragsrechts, die das bayerische Handwerk strikt ablehne. Kritikpunkte aus der Sicht des Handwerks sind, so Traublinger: "Der Handwerksbetrieb bekommt die im Rahmen der werkvertraglichen Mängelhaftung gegenüber dem Kunden zu tragenden Kosten für Ausbau, Entsorgung und Wiedereinbau nicht ersetzt. Er sitzt in der Haftungsfalle! Ebenfalls verschärft die Nichteinbeziehung in den erleichterten Händlerregress die Wettbewerbsnachteile für unseren Wirtschaftsbereich." Bei diesen für das Handwerk sehr gefährlichen Auswirkungen appellierte Traublinger deshalb an Bundesministerin Aigner, die Positionen des Handwerks zu unterstützen. Nach der Bundestagswahl müsse eine grundlegende Reform des gesamten Gewährleistungsrechts angegangen werden.
Hauptgeschäftsführer Dr. Lothar Semper erläuterte, dass es immer schwerer für die Handwerksbetriebe werde, geeignete Kandidaten für eine Lehrstelle zu finden. Die alljährliche Lehrstellenumfrage der Handwerkskammer habe ergeben, dass im letzten Jahr fast jede dritte der im oberbayerischen Handwerk angebotenen Lehrstellen, 31 Prozent, nicht besetzt werden konnte. Semper: "Auch im laufenden Ausbildungsjahr dürften die Schwierigkeiten eher zunehmen." Die Neuabschlüsse in München und Oberbayern lägen zum 30. Juni im Übrigen auf gleichem Niveau wie zum selben Zeitpunkt des Vorjahres und damit knapp über dem bayerischen Durchschnitt.
Die richtigen bildungspolitischen Weichenstellungen seien deshalb für den Wirtschaftsbereich Handwerk von fast überlebenswichtiger Bedeutung, erklärte Semper. In den Wahlprüfsteinen des Bayerischen Handwerkstags für die Landtagswahl fordere das Handwerk von der Bildungspolitik deshalb u.a., das bewährte und erfolgreiche, gegliederte bayerische Schulsystem ist zu erhalten und zu stärken. Das bedeute, dass vor allem die Mittelschule mit ihrer gezielten Ausbildungs- und Berufsvorbereitung in ihrer Leistungsfähigkeit ausgebaut werden müsse. Auch die berufliche Orientierung an den Schulen müsse gestärkt werden. Konkret wolle man, dass Schüler und Eltern auch ausreichend über die hervorragenden Berufs- und Entwicklungsmöglichkeiten im Handwerk informiert werden. Mit den vielfältigen Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung, der Meisterqualifikation, dem verbesserten Hochschulzugang und den Chancen zur Selbständigkeit habe das Handwerk hier ja einiges zu bieten.
Eine positive Zwischenbilanz könne die Handwerkskammer bei dem berufsbegleitenden Bachelorstudiengang für Unternehmensführung ziehen, den die Kammer mit der Hochschule München entwickelt hat. Im Wintersemester 2012/13 gestartet, sei das neue Angebot hervorragend angenommen worden. Deshalb werde auch in diesem Jahr wieder ein Durchgang gestartet. Drei Infoveranstaltungen mit über 100 Teilnehmern und zusätzlich 120 weitere Anfragen sprächen für sich. Semper: "Dieser Studiengang ist ein schönes Beispiel für die Attraktivitätssteigerung des beruflichen Bildungswegs und die Vernetzung von beruflicher und allgemeiner Bildung."
Erfreuliche Ergebnisse konnte der Hauptgeschäftsführer auch von der Imagekampagne des Handwerks berichten: Eine aktuelle Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Forsa habe ergeben, dass die Zahl derer, die in der letzten Zeit etwas über das Handwerk bzw. über Handwerker gelesen oder gehört haben, gegenüber dem Zeitpunkt vor Beginn der Imagekampagne um rund 50 Prozent gestiegen ist. Wo es allerdings noch deutlich Luft nach oben gebe, sei die Einschätzung des Handwerks durch junge Menschen. Hier setze die Nachwuchskampagne des bayerischen Handwerks "Macher gesucht!" an.